Chili: Tipps, Tricks und Sorten, die man kennen sollte - Falstaff (2024)

Chili: Tipps, Tricks und Sorten, die man kennen sollte - Falstaff (1)

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Kulinarik

Chili

Gewürz

Mexiko gilt als Ursprungsland des Chili-Anbaus. Bis heute wachsen dort autochtone, ursprüngliche Sorten. Wahren Kennern geht es bei den Schoten aber gar nicht so sehr um die Schärfe. Sie schätzen vielmehr ihre vielfältigen Aromen, die sie perfekt für viele Gerichte machen.

Christoph Schwarz,

15.11.2023

Als vor mehr als 11.000 Jahren umherziehende Gruppen von Sammlern und Jägern in das Tal von Tehuacán im mexikanischen Hochland vordrangen, waren sie – wir können nur mutmaßen – wohl überrascht von der pikanten Schärfe der bunten Früchte, die sie von den Sträuchern pflückten. Und dennoch dürften schon die Menschen der Jungsteinzeit die Vorzüge der Chilipflanze rasch zu schätzen gelernt haben. Als die Stämme sesshaft wurden, begannen sie – das legen prähistorische Samenfunde in den Höhlen des Tehuacán-­Tals nahe –, die Chilis gezielt zu kultivieren. Und legten damit den Grundstein für eine kulinarische Erfolgsgeschichte. Mexiko wurde zur Wiege der Chili und ist es bis heute geblieben, vor allem aus Sicht echter Aficionados. Anders als etwa in den benachbarten USA, in denen immer neue und vor allem immer schärfere Chili-Sorten gezielt gezüchtet werden, finden sich in Mexiko bis heute autochtone, ursprüngliche Sorten mit wesentlich komplexeren und vielfältigeren Aromen.

Wer die Welt der farbenfrohen Gewächse verstehen will, muss sich zuvor von einigen Vorurteilen und allzu simplen Annahmen trennen: Nämlich jener, dass Chilis in erster Linie »scharf« sind, und dass Chili gleich Chili ist. »Wenn in einem Rezept einfach nur von Chili die Rede ist, läuft schon etwas falsch«, sagt Expertin Simone Taschée, die sich vor einigen Jahren ganz dem Thema verschrieben und in der Wiener Innenstadt nahe dem Naschmarkt ihr Geschäft »Chiliwerkstatt« eröffnet hat. Dort pflegt sie ein großes Sortiment an Chilis, importiert aus aller Welt, bietet Kochkurse an und versendet Produkte, darunter auch lebende Chilipflanzen für Hobbygärtner, bis in die Nachbarländer.

Jede Sorte, sagt Taschée, habe ihren ganz eigenen Charakter, den man fast wie beim Wein auch hervorragend beschreiben kann. Ihr Mann und Geschäftspartner, Klaus Postmann, ist nicht nur Weinakademiker, sondern hat sich in einem gemeinsamen Buch auch der Kategorisierung der unterschiedlichsten Sorten gewidmet. Fruchtig können sie sein, süßlich, erdig, röstig, schokoladig, zitrusartig, mit Maracuja- oder ­Papaja-Noten oder auch paprikaartig frisch. Alleine daran zeigt sich schon, wie breit das Einsatzgebiet der Chili ist. »Die Mexikaner verwenden sie nicht hochgezüchtet zum Schärfen, sondern als echtes Naturprodukt, das für sie an der Schnittstelle zwischen Gemüse und Gewürz liegt«, sagt Taschée. Viele mexikanische Gerichte, etwa die berühmte Mole, erhalte erst aus dem Zusammenspiel mehrerer Sorten ihren volle geschmackliche Tiefe.

Chili: Tipps, Tricks und Sorten, die man kennen sollte - Falstaff (2)

© Victoria Ditkovsky/Shutterstock

Auf Plantagen in Albuquerque, New Mexico, säumen Chilipflanzen vereinzelt den Weg.

Jede Sorte, sagt Taschée, habe ihren ganz eigenen Charakter, den man fast wie beim Wein auch hervorragend beschreiben kann. Ihr Mann und Geschäftspartner, Klaus Postmann, ist nicht nur Weinakademiker, sondern hat sich in einem gemeinsamen Buch auch der Kategorisierung der unterschiedlichsten Sorten gewidmet. Fruchtig können sie sein, süßlich, erdig, röstig, schokoladig, zitrusartig, mit Maracuja- oder ­Papaja-Noten oder auch paprikaartig frisch. Alleine daran zeigt sich schon, wie breit das Einsatzgebiet der Chili ist. »Die Mexikaner verwenden sie nicht hochgezüchtet zum Schärfen, sondern als echtes Naturprodukt, das für sie an der Schnittstelle zwischen Gemüse und Gewürz liegt«, sagt Taschée. Viele mexikanische Gerichte, etwa die berühmte Mole, erhalte erst aus dem Zusammenspiel mehrerer Sorten ihren volle geschmackliche Tiefe.

Auch ob Chilis frisch, getrocknet oder gemahlen zum Einsatz kommen, hat Auswirkungen auf ihre potenziellen Einsatzgebiete. Die Unterschiede zwischen frischen und getrockneten Schoten sind sogar so groß, dass beide – nur bei den mexikanischen Sorten, das ist eine Besonderheit – sogar unterschiedliche Namen tragen. Eines der bekanntesten Beispiele: Die original mexikanische Jalapeño (die im noch unreifen, grünen Zustand in der Tex-Mex-Küche gerne zum Einsatz kommt), ist im geräucherten Zustand als Chipotle bekannt. Ein gutes BBQ kommt kaum ohne sie aus. Die Sorte Poblano, die sich frisch gut füllen lässt, heißt getrocknet Ancho und findet rehydriert in Eintöpfen ihren Einsatz. Ein schönes Zeichen dafür, welche Bedeutung die Vielfalt der Schoten in der mexikanischen Küche hat.

Dass auch auf dem heimischen Markt das Verständnis dafür steigt, ist laut Taschée unter anderem populären TV-Köchen zu verdanken. Jamie Oliver etwa, der einst begann, die Sortenbezeichungen in seine Rezepte aufzunehmen. Die Chili, ist sich die Experten sicher, ist jedenfalls »ein emotionales Produkt«: Jeder habe »zu scharfem Essen ein Gschichtl, egal, ob positiv oder negativ«, sagt sie. Die Chili lasse auch im wahrsten Wortsinne »niemanden kalt«. Apropos: Der Umgang der Mitteleuropäer mit der Schärfe hat sich zuletzt stark gewandelt. »Früher war Schärfe bei uns kein Geschmack, sondern ein Schmerz«, sagt Taschée. Und doch könne man das scharfe Essen lernen. »Der Körper, die Sensorik gewöhnt sich daran. So kann man sich langsam von Sorte zu Sorte vorarbeiten.«

Mexikanische Chilis sind für Einsteiger besonders gut geeignet: »Man tut gut daran, sich an Völkern zu orientieren, die das Thema wirklich verinnerlicht haben.« Die mexikanische Küche ist nicht vorrangig scharf, sondern würzig. Gekocht werde zumeist so, dass »vom Kleinkind bis zum Opa« alle am Tisch mitessen können. Und wer es noch schärfer will, kann mit hausgemachten Würzpasten oder getrockneten Chilis nachwürzen. Apropos nachwürzen: Auch die bekannteste Chili-Würzsauce hat, obwohl sie eigentlich aus den USA kommt, ihre Wurzeln in Mexiko: Die Tabasco-Sauce, die seit dem Jahr 1868 von dem Unternehmen McIlhenny Co. hergestellt wird, trägt einen mexikanischen Bundesstaat sogar im Namen. Die Sauce ist übrigens mitverantwortlich für die Skepsis, die viele Menschen der Chili entgegenbringen: Sie wird bis zu drei Jahre lang im Eichenfass gelagert, was ihr ihren speziellen Geschmack verleiht. »Viele Menschen empfinden diesen Barriqueton als muffig, sauer, abgestanden«, sagt Taschée.

Pepper X ist die Schärfste

Die Schärfe einer Chili bemisst sich an der bekannten Scoville-Skala. Benannt ist sie nach dem Forscher Wilbur Scoville, der das Verfahren zur Messung des Capsaicin­gehalts erfunden hat. Für die Messung wird ein Extrakt der Chili in Zuckerwasser verdünnt und so lange analysiert, bis keine Caspaicin-Spuren mehr vorhanden sind. Hat eine Chili etwa einen Wert von 2.000 auf der Scoville-Scala, bedeutet dies, dass der scharfe Geschmack erst dann verschwindet, wenn 2.000 Teile Zucker­wasser auf einen Teil Chiliextrakt treffen.

Die schärfste Schote der Welt trägt den Namen »Pepper X«: Sie stieß erst unlängst die Carolina Reaper vom Thron, und zwar mit unglaublichen 2,69 Millionen Scolville-Einheiten. Ihr Verzehr, warnen Wissenschaftler, dürfte zu gesundheitlichen Schäden führen. Gezüchtet wurde die neue Sorte übrigens in den USA. »Traditionsbewusste Mexikaner hätten dafür nur ein Kopfschütteln übrig«, sagt Taschée. Freilich: Dass die Chili auf vielfältige Weise eingesetzt werden kann, wussten auch schon die indigenen Völker in Mexiko. Azteken und Maya verwendeten die Schoten etwa als Räucherwerk, um böse Geister zu vertreiben, oder als Folterwerkzeuge für ihre Feinde. Sogar um unartige Kinder zu disziplinieren, griff man auf Chilis zurück, wie historische Aufzeichnungen zeigen: Bei den Azteken wurden Buben, die nicht gehorchten, mit dem Kopf über den Rauch gerösteter Chilis gehalten. Mädchen erging es etwas besser, sie mussten »nur« davor knien.

Mit Kolumbus nach Mexico

Den Weg nach Europa fanden die Schoten dann mit Christoph Kolumbus, der in seinen Aufzeichnungen schrieb: »Auf diesen Inseln, wo es in diesem Winter auf den hohen Bergen sehr kalt ist, halten sich die Einwohner mit Hilfe der Nahrung warm, die sie stark gewürzt und mit sehr scharfen Gewürzen essen.« Worum genau es sich handelte, konnte er übrigens noch nicht einordnen. Er hielt die kleinen roten Beeren für einen Verwandten des Pfeffers (und nicht für eine Form der Paprika) und nannte sie »roter Pfeffer«. Der englische Begriff für Chilis, »chile pepper«, zeugt bis heute davon. Übrigens: Scharf sind Chilis eigentlich aus Gründen der Selbstverteidigung – sie wollen so Fressfeinde abwehren. Ein Plan der Natur, der wohl gehörig daneben­gegangen ist.

Erschienen in
Falstaff Nr. 09/2023

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